Zu einem gemeinsamen Arbeitseinsatz trafen sich am vergangenen Sonnabend Deutsche und Polen auf der polnischen Seite der Langen Brücke, die einst Forst (Lausitz) mit seinem ehemaligen Ortsteil Berge (heute Zasieki) verband. „Unsichtbare Hand“ nennt sich die Initiative von Männern und Frauen beiderseits der Neiße. Man kennt sich, kommt öfters zusammen, um gemeinsam zu plaudern, zu arbeiten und auch zu feiern.
Wer sich hinter der „unsichtbaren Hand“ verbirgt, sei ihnen nicht so wichtig, sagt die Koordinatorin des Arbeitseinsatzes, eine polnische Einwohnerin aus Zasieki. Auch suche man nicht unbedingt die Öffentlichkeit, um auf sich aufmerksam zu machen. Viel wichtiger sei es, den Blick auf das historische Forst zu richten und gemeinsam etwas gegen den weiteren Verfall der für Forst einst so wichtigen Brücke zu unternehmen. „Der Platz hier schreit geradezu nach Geschichte!“, sagt sie. Auf alten mitgebrachten Fotos erkennt man die Lange Brücke mit den beiden Brückenhäuschen, den Tuchmacherbrunnen sowie zwei markante Straßenlaternen. Doch die Natur hat sich seit Kriegsende Stück für Stück das Gelände zurückgeholt, auch Vandalismus und Witterungseinflüsse sorgten dafür, dass von der ehemaligen Pracht des damaligen Walter-Rathenau-Platzes nicht mehr viel übrig blieb.
Mit Motorsägen bewaffnet rücken die Männer dem Wildwuchs rund um den Tuchmacherbrunnen und in den Fragmenten des östlichen Brückenkopfes der Langen Brücke zu Leibe. Die Frauen kümmern sich um den Wegtransport der Äste und Zweige. „Wenn Touristen auf der deutschen Seite der Langen Brücke stehen und herüber schauen, sollen sie wenigstens wieder den Blick auf den Brunnen haben! Vielleicht finden sie dadurch auch mal den Weg zu uns nach Polen auf der anderen Seite der Brücke!“, ist das Ziel für den heutigen Arbeitseinsatz.
Die Idee, den Platz rund um den Tuchmacherbrunnen wieder in Schuss zu bringen, hatte die engagierte Frau vor einiger Zeit am 3. Mai, dem Tag der Konstitution, ein polnischer Nationalfeiertag. „Statt zu feiern kann man doch auch etwas Nützliches tun!.“ Sie suchte sich Verbündete und fing zunächst in kleiner Runde an, den Unrat an der Langen Brücke zu entsorgen. Über Freunde des Forster Geschichtsstammtisches kamen weitere Kontakte, diesmal von deutscher Seite, hinzu. Mittlerweile gibt es noch mehr ehrgeizige Pläne. So wolle die „unsichtbare Hand“ ein Duplikat der fehlenden Figur des Tuchmacherbrunnens anfertigen und damit den Brunnen wieder krönen. Auch das vor ein paar Jahren zerstörte Brückenmännlein an einem Brückenpfeiler soll wieder rekonstruiert werden.
Freunde der „Schwarzen Jule“, der ehemaligen Forster Stadteisenbahn, packten ebenfalls mit an. Nach der Beräumung des Areals rund um die Lange Brücke erhoffen sie sich neue Erkenntnisse über die damalige Gleisführung der Bahn auf der östlichen Seite der Neiße. Auf dem Brückenkopf sind zumindest Betonteile des ehemaligen Gleisbettes vorhanden und deutlich sichtbar. Mittels alter Kartografien können nun die weiteren Schienenstränge der Jule nachvollzogen und mit der Realität abgeglichen werden. Ob weitere Fragmente der Gleisführung gefunden werden, bleibt jedoch abzuwarten.
Doch es wird nicht nur gemeinsam gearbeitet und geforscht. Mitgebrachte Kuchen und Salate machen in den Arbeitspausen die Runde. Den Strom für die Kaffeemaschine liefert ein Notstromaggregat. Und ganz Mutige nehmen fürs Erinnerungsfoto schon einmal an jener Stelle Platz, wo einst das Brückenmännlein seinen Sitz hatte.
Brücken schlagen, wo längst keine mehr sind – die „unsichtbare Hand“ macht’s möglich und führt Menschen zweier Orte zusammen, die eine gemeinsame Geschichte haben.
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