Das industrielle Erbe der Stadt

„Faszination Fabriken“ betitelte kürzlich der rbb seine Dokumentation über Forst und sein industrielles Erbe. Das Forster Stadtbild prägen viele leerstehende Industriebrachen, verfallene Fabrikantenvillen und Reste einer einstmals blühenden Textilindustrie. Doch wie geht die Stadt Forst (Lausitz) mit den Hinterlassenschaften und Leerstand in den Objekten um?

Es ist ein großes Erbe, welches die Stadt zu tragen hat. Im Land Brandenburg gibt es kaum vergleichbare Städte, die ähnliche Probleme mit ihren Industrieobjekten haben. Auch in Cottbus werden mittlerweile fast alle ehemaligen Industrieobjekte nachgenutzt.

„Aktuell haben wir 42 Industriebrachen, für die eine sinnvolle Nachnutzung gesucht wird“, sagt Angelika Geisler, Fachbereichsleiterin Stadtentwicklung. Allein in der Stadtumbaukulisse Innenstadt sind es „nur“ 29 Objekte. Für diese Objekte wurde auf Anforderung des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung (MIL) und dem Landesamt für Bauen und Verkehr Cottbus eine detaillierte Altbauaktivierungsstrategie zum Umgang mit den Grundstücksarealen erarbeitet, um ggf. Sicherungsmaßnahmen, Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zu fördern.

Voraussetzung für jegliche Finanzierung ist eine realistische Nutzungskonzeption, erst dann kann eine Förderung zum tragen kommen, wenn ausreichend Fördermittel zur Verfügung stehen.

Aktuell liegt seit längerem die entwickelte Industriebrachenkonzeption über die 29 Industriebrachen beim Ministerium zur Bewertung. Jedes Objekt auf dem Grundstück, egal ob Hauptgebäude, Remise oder Nebengebäude wurde separat begutachtet und bewertet, klärt Angelika Geisler auf. Nur wenige dieser Objekte sind nachnutzbar, der überwiegende Teil ist verschlissen, da durch die Eigentümer keine Sicherungsmaßnahmen an Dach, Fenster oder Decken durchgeführt wurden. Die Objekte befinden sich überwiegend in einem katastrophalen Zustand. Ein Großteil ist nur noch abrißreif oder mit enormen finanziellen Aufwand wieder herzurichten .

Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit. Wenn nicht zeitnah etwas passiert und in die verfallenen Objekte investiert wird, wird das Problem noch größer und das Objekt noch unansehnlicher als es ohnehin schon ist.

Viele Objekte befinden sich im Privatbesitz. Häufig sind die Eigentümer nicht ermittelbar, haben das Objekt aufgegeben oder schlichtweg kein Interesse, sich um ihr Eigentum zu kümmern. Hinzu kommen unrealistische Verkaufsvorstellungen, die potentielle Investoren abschrecken, sowie Eigentümer, die ihren Geschäftssitz im Ausland haben oder reine Immobiliengesellschaften sind. Andere drohen der Stadt unverblümt damit, die Objekte lieber verfallen zu lassen, wenn es keine Förderung für Sanierungsmaßnahmen gibt.

Ehemalige „Likör-Fabrik“ in der Heinrich-Werner-Str.

Das Thema „Eigentumsverhältnisse“ ist ohnehin eine Belastung für die Stadt. „Die Eigentümer im Sanierungsgebiet wurden, soweit sie ermittelt werden konnten, von uns angeschrieben und nach einer Nutzungskonzeption befragt.“, sagt Angelika Geisler. Im Grundbuch gibt es für solche Objekte einen Sanierungsvermerk. Das verpflichtet die Eigentümer, Auskunft über ihr Objekt zu geben. Anderenfalls kann der Eigentümer sanktioniert werden. Viele dieser Grundstücke seien durch Hypotheken belastet. Für die Objekte im Sanierungsgebiet, das sich über eine Fläche von der Neiße im Osten, die Inselstraße im Norden bis zur Bahnhofstraße im Westen und die Bahnlinie nach Polen im Süden erstreckt, hat die Stadt zumindest die Handhabe, den Eigentümer belasteter Grundstücke zu enteignen bzw. eine Zwangsversteigerung zu beantragen.

Grundstücke selber zu kaufen, ist für die Stadt nur bedingt möglich, da sie sich in Haushaltssicherung befindet und schlichtweg kein Geld dafür übrig hat. Dabei sind durchaus Ideen vorhanden. Neben einer gewerblichen Nutzung ist auch eine Mischnutzung mit Gewerbe und Wohnbebauung möglich. Auch Überlegungen, ein Existenzgründerzentrum aufzubauen, gibt es. „Doch es muß erstmal Interessenten geben, die da überhaupt rein wollen.“

Blick zum „Avellis“-Heizwerk

Am Fachbereich Stadtentwicklung liegt es nicht, daß es mit der Vermarktung der Industriebrachen so schleppend vorangeht. „Wer in Forst investieren möchte, bekommt auch Industrieobjekte angeboten. Leider kommen Liebhaber aus Berlin, München oder Hamburg nicht nach Forst und wollen in Größenordnungen hier investieren.“, sagt Angelika Geisler .

Doch es gibt auch positive Beispiele. So hat die Eigentümerin des Fabrikgeländes Planckstraße/Max-Fritz-Hammer-Straße bereits viel geleistet, um die ehemalige Brache wieder einer sinnvollen Nachnutzung zuzuführen. Das Avellis-Heizwerk in der Inselstraße wird von einem Kletterverein genutzt. Die ehemalige Textilfabrik in der Schützenstraße wird zu einer Wohnanlage umgebaut. Die Parkstraße 20 wird für eine Gewerbliche- / Mischnutzung derzeit umgebaut. Die Villa Jänickestraße 28 befindet sich ebenfalls in der Modernisierung.
Über die Bürgermeisterin wurde das Thema Industriebrachen in der Lausitzer Kohlerunde platziert, um evt. von Ansiedlungen im Rahmen des Kohleausstiegs zu profitieren.

Die Rückansicht der „Traumfabrik“

Ein wichtiges Kriterium ist eine gesicherte Ko-Finanzierung bei einem Erwerb und der Entwicklung alter Industrieobjekte – ein häufiges Problem, das viele Investoren nicht immer auf dem Schirm haben. Da viele der Industriebrachen auf der Denkmalliste stehen, dürfe auch nicht so einfach abgerissen werden. Und selbst wenn abgerissen werden darf, steigen die Kosten für den Abriss nicht selten in Millionenhöhe.

In ihrem Fachbereich hat Angelika Geisler mit unterschiedlichsten Investoren zu tun – die einen haben ein Konzept und konkrete Pläne, die anderen wollen nur abkassieren oder billig an Spekulationsobjekte kommen. Angelika Geisler sagt aus Erfahrung, „Industrieobjekte müssen mit viel Herzblut, Fachwissen und hohem finanziellen Aufwand entwickelt werden!“

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