„In Forst und in Brody wird bei allen Projekten deutsch und polnisch gedacht!“

v.l.n.r.: Juliusz Dudziak, Beata Grelewicz, Adam Gòrski, Elena Boßmeyer, Christine von Brühl, Sven Zuber

Im Kavaliershaus des Schlosses in Brody (Pförten) fand am 14. Juni 2023 die Abschlußkonferenz eines deutsch-polnischen Projektes mit dem etwas sperrigen Namen „Erschließung und Veröffentlichung wertvoller historischer Archiv-Dokumente des Staatsarchives Zielona Gòra zur europäischen Geschichte aus dem grenzüberschreitenden deutsch-polnischem Gebiet der ehemaligen Standesherrschaft Forst-Pförten (Brody) durch eine zweisprachige Publikation“ statt. Eingeladen hatten dazu die Gemeinde Brody (Pförten) sowie die Stadt Forst (Lausitz).

Sven Zuber, Verwaltungsvorstand der Stadt Forst (Lausitz), gab zu Beginn einen kurzen geschichtlichen Abriß zur Standesherrschaft Forst-Pförten. Zwischen der kursächsichen Hauptstadt Dresden und Warschau gab es zu Zeiten August des Starken einen regen Reiseverkehr. Friedrich August I. (1694-1733, besser bekannt als August II. bzw. August der Starke) war Herrscher in Kursachsen und gleichzeitig König von Polen. Die Provinz Brandenburg und Schlesien trennten Kursachsen und Polen, in Pförten nahm der König auf dem Weg von und nach Warschau immer Quartier. 1746 kauft Graf Heinrich von Brühl (1700-1763), der unter August III. (1696-1763) Premierminister und damit der zweitwichtigste Mann in Sachsen war, die Herrschaft Forst und vereint sie mit der Herrschaft Pförten.

Seit dieser Zeit sammelten sich eine Vielzahl an Urkunden, Dokumenten und Verordnungen an, die nun erstmalig in dem Buch „Archivalien aus der Standesherrschaft Forst-Pförten und der Stadt Forst (Lausitz), Band 1“ veröffentlicht wurden. 2022 gab es dazu erste Gespräche in Zielona Gòra, ein knappes Jahr später wurde ein imposanter Bildband der Öffentlichkeit präsentiert.

Blick in den Konferenzsaal

Der amtierende Bürgermeister von Brody, Juliusz Dudziak sprach in seinem Grußwort von einem großen Erfolg, der mit der Herausgabe des Buches erzielt wurde. Das Buch sei eine wertvolle Quelle von Informationen. Durch die erfolgte Digitalisierung sind die Archivbestände auch für zukünftige Generationen gesichert.

Beata Grelewicz, Direktorin des Staatsarchivs Zielona Gòra, verwies auf die Aufgabe ihres Archives hin – die Zurverfügungstellung der Quellen, die einen Zeitraum von 8 Jahrhunderte umfassen. Das ältestes Dokument im Archiv stammt aus dem Jahr 1303. Insgesamt umfasst das Archiv in Zielona Gòra rund 7,5 km Akten. Einer der größten Bestände gehört zur Standesherrschaft Forst-Pförten mit rund 19.000 Archiveinheiten. Ebenfalls verfügbar ist ein großer Bestand zur Deutschen Sprengchemie in Forst-Scheuno.

Das älteste Dokument im Magistratsbestand der Stadt Forst (Lausitz) stammt aus dem Jahr 1516. Über 400 Jahre Stadtgeschichte lassen sich im Stadtarchiv Forst (Lausitz) finden.

Das Archivbuch zur Standesherrschaft Forst-Pförten wurde von Elena Boßmeyer vom Forster Stadtarchiv und dem Historiker Adam Gòrski, der im Staatsarchiv Zielona Gòra forschte, zusammengestellt. Es ist chronologisch verfasst vom Ursprung bis 1945. Die meisten Dokumente sind im Original auf Pergament geschrieben. Auch für genealogische Forschungen sei das Buch, welches in einer Auflage von 500 Exemplaren gedruckt wurde, bestens geeignet.

„Heute können wir die Geschichte neu schreiben!“, sagt Sven Zuber. So gebe es ein Dokument von 1689, in dem der Herzog von Sachsen anordnete, in Forst den Betrieb einer Poststation wiederherzustellen. Bisher war der Beginn der Forster Postgeschichte wesentlich später datiert.

Eine Art Vereinsregister wurde für das Dorfgericht Alt-Forst auf die Zeit 1863-1874 datiert. Mit Datierung 25.01.1786 wurde für Forst ein eigener Stadtmusiker angestellt.
Das Buch enthält Belege für Taufen, Eheschließungen, Belehnung von Grundstücken, Auszüge aus Schulchroniken, Dokumente zur Geschichte der Forster Stadteisenbahn u.v.m. Weitere Bände sind geplant und abhängig von Möglichkeiten einer Förderung. Alle dargestellten Dokumente sind im Buch ausführlich in deutscher und polnischer Sprache beschrieben.

Christine von Brühl, eine Nachfahrin des Grafen Heinrich von Brühl und deren Großvater in Brody geboren wurde, bringt es auf den Punkt: „Es gab immer eine enge Freundschaft zwischen den Brühls und den Polen. Was ich jedoch bewundernswert finde: in Forst und in Brody wird bei allen Projekten deutsch und polnisch gedacht!“

Oder, wie Juliusz Dudziak im Vorwort des Buches schreibt: „Möge diese Veröffentlichung zugleich ein wertvolles ergänzendes Lehrmittel im Rahmen des Geschichtsunterrichts sein, ist doch das Wissen über das kulturelle und historische Erbe unserer Region von maßgeblicher Bedeutung, nicht nur für die Herausbildung eines Geschichtsbewusstseins und der geschichtlichen Erinnerung aller Einwohner:innen der Grenzregion, sondern ebenso einer regionalen Identität.“

Gruppenbild auf der Schlosstreppe

Einblicke ins Innere des Schlosses in Pförten gibt es auf der Pfützenland-Webseite.

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