Spricht man in Forst vom „Mückenhain“, wissen zumindest die Älteren, was damit gemeint ist und wo er sich befindet. Im Forster Norden, „an dem Kreuzweg, wo die Wege nach Mulknitz, Neu-Sacro und Eulo abgehen, ist die Flur Mückenhain“, beschreibt Hermann Standke in seiner „Heimatkunde der Niederlausitz“ von 1922 den Ort. „Im 16. und 17. Jahrhundert stand hier ein Vorwerk und ein Herrenhaus, deren Stätten heute nicht mehr genau festzustellen sind.“
Und tatsächlich deutet fast nichts mehr auf diesen einstmals sagenumwobenen Ort. Von 1540 bis 1550 wohnte in diesem Vorwerk der Adlige Nickel von Rothe, ein gefürchteter Ritter, der Furcht und Schrecken verbreitete. In den Gaststuben der Umgebung prahlte er mit seinem Reichtum und prügelte sich mit den Gästen.
Einmal hatte er alle Schafe des Euloer Edelmannes Gustachius von Kalkreuth konfisziert, weil diese zu nahe am Mückenhain und damit am Vorwerk weideten. Erst auf längeres Bitten gab Nickel von Rothe die Schafe wieder frei.
Auch Kaufleute, die von Breslau oder Görlitz kommend auf dem Weg zu den Messen in Leipzig und Frankfurt waren, machten lieber einen Umweg um den Mückenhain. Zu oft wurden sie von Nickel von Rothe und seinen Kumpanen überfallen und ausgeraubt. „Nur was kostbar war, und bares Geld und Metalle nahmen die Räuber mit.“, weiß die Sorauer Heimatforscherin Margarete Gebhardt (1870 – 1945) in ihren „Sagen und Geschichten aus der Lausitz“ zu berichten. „Niemals fiel ein Schuß, auch wurde den Reisenden an Leib und Leben nie ein Schade getan oder Gefangene gemacht.“
Über das Leben im Vorwerk ist wenig bekannt. Hin und wieder zechte Nickel von Rothe mit seinen Spießgesellen. In der „Chronik der Stadt und Standesherrschaft Forst“ von 1846 heißt es lediglich: „Kein Weibes Volk mehr, als eine einzige Hure, hat er draußen gehalten, die fast täglich nach Forste gegangen, und eßende Waren auf dem Markte eingekauft.“
Dem Landvogt waren Nickel von Rothes Schandtaten ein Dorn im Auge und er ließ ihn gefangen nehmen. Doch mehrmals konnte der Ritter fliehen und sich vor seinen Verfolgern verstecken. Bis eines Tages der Zufall weiter half. In Breslau übernachtete der Ritter in einer Herberge. Der Knecht des Hauses, der einige Jahre früher in Görlitz Stadtknecht war und die Warenzüge der Görlitzer Kaufleute begleitete, erkannte den Raubritter von Nickel wieder, verriegelte den Stall, in dem sich von Rothe gerade aufhielt und alarmierte die Stadtwache. Endlich war der Missetäter gefasst. Im Gefängnis gestand Nickel von Rothe alle ihm zur Last gelegten Taten. Bevor er 1551 durch das Schwert hingerichtet wurde, vermachte er sein Anwesen im Mückenhain dem regierenden Standesherrn von Forst, Ferdinand von Bieberstein. Als letzten Wunsch äußerte Nickel von Rothe, „daß er (Ferdinand) vor alles und jedes seiner verlaßenen armen Huren 30 Taler herausgeben wollte.“
Ob es sich wahrhaftig so zugetragen hat – wer weiß? Bekannt ist, daß auf einer sogenannten Kaupe am Mückenhain ein Herrenhaus gestanden hat. Anna von Bieberstein hatte bis zu ihrem Tode 1644 hier ihren Wohnsitz. Sowohl auf der Schenkschen Karte von 1757 als auch auf einer handgezeichneten Karte von Johannes Thalheim um 1750 zu den Grenzen des Brühlschen Besitzes ist das Vorwerk Mückenhain (Mückenhayn) verzeichnet. Das Symbol des Hauses auf der Karte entspricht dem eines Vorwerkes.
Wo genau sich das Vorwerk im Mückenhain befand, lässt sich nicht mehr genau verorten. Das Gut Neu-Sacro liegt zwar nur wenige 100 Meter vom Mückenhain entfernt, hat jedoch mit dem Vorwerk Mückenhain nichts gemeinsam.
Folgt man der Straße von Mulknitz kommend bis zur Kreuzung nach Neu-Sacro und Eulo, sieht man linkerhand vor der Kreuzung im Wald eine ca. 50 lange, 30 Meter breite und 3 Meter hohe Erhebung. Nach Auskunft von geologisch interessierten Hobbyforschern handelt es sich bei dieser Erhebung um keine natürliche Erhebung, etwa einer Bodendüne. Es gibt auch keine Hinweise darauf, daß es sich bei der Erhebung um einen mittlerweile bewachsenen Trümmerhaufen handeln könnte, der nach Kriegsende mit Trümmerresten aus den umliegenden Dörfern aufgeschüttet wurde. Möglich ist allerdings, daß sich unter dem Bewuchs die Reste des ehemaligen Vorwerks Mückenhain befinden.
Egal, was der Ursprung dieser kleinen Bodenerhebung ist – sie befindet sich in einer sagenumwobenen Gegend. Und vielleicht lüftet sich irgendwann ja doch noch das Geheimnis um das Vorwerk im Mückenhain.
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