Wer 100 Jahre alt wird, hat in seinem Leben schon viel erlebt und kann so einiges erzählen – so wie das Forster Stadion, das am 22. Mai sein 100jähriges Jubiläum feierte. Allerdings fielen die Festlichkeiten aus den verschiedensten Gründen aus. Ohnehin ist es in den vergangenen Jahren viel ruhiger geworden im und um das Stadion. Dabei hat das Stadion unterhalb des Wasserturms eine bewegte Geschichte – und mittlerweile auch wieder eine Zukunft!
Der Forster Garteninspektor Alfred Boese, dem Forst auch die Gestaltung des Rosengartens zu verdanken hat, entwarf die Umgestaltung einer ehemaligen Eisbahnwiese entlang der Bahnstrecke nach Weißwasser zu einem Spiel- und Sportpark. Am 1. Juli 1919 wurde der Bau des ca. 8 Hektar großen Areals in Angriff genommen. Arbeitslose aus allen Schichten der Forster Einwohnerschaft wurden für diese sogenannten Notstandsarbeiten eingesetzt. Der das Gelände durchziehende Koynesche Graben wurde verrohrt. Im Süden des Areals wurde die Jahnstraße angelegt und mit einem Regenwasserkanal zur Ableitung des Niederschlagswasser in Richtung Mühlgraben versehen.
Im Norden wurde das zukünftige Sportstadion von einer Promenade begrenzt. Auf der östlichen Seite entstanden Zuschauertribünen und eine Treppenanlage. Am Fuße des Wasserturms wurden ebenfalls Zuschauertribünen angelegt. Die Tribünen, die Treppenanlage und die nördliche Promenade wurden mit 60000m³ Schutt und Boden aufgeschüttet, die bei Ausschachtungsarbeiten des Häuserbaus am heutigen Platz des Friedens gewonnen wurden.
Umrahmt wurde die gesamte Anlage mit Hecken und Bäumen. Rings um das Sportfeld befanden sich mehrere Tennisplätze, ein Planschbecken und eine Rodelbahn. Der östliche Teil des Stadions konnte im Winter geflutet und als Eisbahn genutzt werden. Es entstanden Leichtathletikanlagen und eine 18000m² große Spielfläche. Ausgelegt war der „Städtische Sportplatz“ für 14.000 – 20.000 Zuschauer. Die Gesamtbaukosten beliefen sich auf 1, 26 Millionen Mark.
Am 22. Mai 1921 wurde die neu errichtete Sportanlage eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben.
Erster Höhepunkt waren die im Juli 1923 durchgeführten Südostdeutschen Meisterschaften in der Leichtathletik. Das Forster Tageblatt kündigte dieses Ereignis mit folgendem Kommentar an: „Zum erstenmal seit Erbauung der idealen Anlage werden Weltrekordinhaber und Leichtathleten von Weltruf die Aschenbahn betreten und dem sportliebenden Publikum das Beste zeigen, was Deutschland an Leichtathletik bieten kann … Die günstigen Zugverbindungen und die guten Quartiergelegenheiten in Forst werden Massen, die den Kampf über die Konkurrenzen beobachten wollen, nach der schönen Industriestadt bringen.“
Und tatsächlich zog das Stadion in den Jahren darauf die Massen an. Besonders die Heimspiele Forster Fußballvereine im Wettbewerb um die Deutsche Fußballmeisterschaft in den 20er und 30er Jahren lockte Tausende ins Stadion. 1933 wurde das Stadion nach dem damaligen Reichsarbeitsminister in „Franz-Seldte-Kampfbahn“ umbenannt. Aus dem selben Jahr resultiert auch der bisherige Zuschauerrekord. Wie das „Forster Tageblatt“ berichtet, waren am 18. September des Jahres 22 000 Menschen bei einer Propaganda-Veranstaltung der Nationalsozialisten im Stadion.
Am 6. Juni 1948 fand das Finale der Fußballmeisterschaft Brandenburg zwischen SG Cottbus-Ost und SG Babelsberg (1:0 für die Cottbuser) vor 14.000 Zuschauern statt.
Im Mai 1952 erfolgte erneut eine Umbenennung. Die „Märkische Volksstimme am Montag“ schrieb am 19. Mai 1952: „7000 Zuschauer hatten sich zur Stadionweihe in Forst, das jetzt den Namen „Stadion der Einheit“ erhalten hat, eingefunden, um mit dabei zu sein, wenn sich die Sportfreunde aus dem Westen unseres Vaterlandes durch ihr Erscheinen zu einem einheitlichen Deutschland bekennen.
Das Fußball- und Handballspiel wurde umrahmt von leichtathletischen Wettkämpfen, die so am Vor- und Nachmittag der werktätigen Forster Bevölkerung einen Tag der Entspannung brachten.“
Fortan war das Stadion bis in die heutige Zeit Austragungsort großer Veranstaltungen. Etappen der DDR-Rundfahrten für Radrennfahrer fanden hier ihr Ziel, die DDR-Junioren-Nationalmannschaft trug hier zwei Fußball-Länderspiele aus, die Leichtathleten ermittelten hier ihre DDR-Studentenmeister. Hinzu kamen die jährlichen Wettkämpfe der Spartakiaden und in den 1990er Jahren die beliebten Wasserturmfeste mit bekannten Künstlern wie The Sweet, Alphaville, C.C. Catch, Haddaway oder den Ostrockern von KARAT, City oder den Puhdys.
Dann wurde es ruhig um das Stadion, es verfiel zusehends. Die Laufbahn verkrautete, die Zuschauertribünen bröckelten, die Veranstaltungen wurden immer weniger. Doch mittlerweile gibt es wieder Hoffnung auf eine Frischzellen-Kur für das Forster Stadion. Die Stadt Forst (Lausitz) bekam vom Haushaltsausschuß des Bundestages eine Fördermittelzusage in Höhe von 3 Millionen Euro für eine Sanierung des in die Jahre gekommenen Sportkomplexes. Im Februar diesen Jahres erfolgte ein Koordinierungsgespräch zwischen Bund und Stadt. Mit einem zusätzlichen 10%igen Eigenanteil der Stadt können demnächst 3,3 Millionen Euro in einen Neubau des Sozialgebäudes (für 1,8 Mio.), die Neugestaltung des Spielfeldes (1,12 Mio) und 340.000 Euro für eine Skateranlage investiert werden. Noch im Mai erfolgt die europaweite Planungsausschreibung, im Oktober soll die Leistungsausschreibung erfolgen und im Mai 2022 der Baubeginn erfolgen. Dann wird das Forster Stadion fit gemacht für die hoffentlich nächsten 100 Jahre.
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