Forster wandern auf den Spuren des Wolfes und bekommen kostenlose Heimatkunde

Man nehme eine Prise Heimatkunde, etwas mehr Biologie, würze das Ganze noch mit etwas Geschichte und bekommt so die Zutaten für den 66. Geschichtsstammtisch des Forster Museumsvereins. Diesmal stand eine Naturwanderung zu den Katzenbergen in einem der beliebtesten Erholungsgebiete der Forster und ihrer Gäste, den „Euloer Teichen“, auf dem Programm. Die korrekte Bezeichnung lautet Naturschutzgebiet (NSG) „Euloer Bruch“ im Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Jamno-Euloer Teich- und Wiesengebiet“, wie Kristian Schmidt als einer der drei Exkursionsführer bei seiner kleinen Einführung korrigierte.

Das LSG existiert in seiner jetzigen Ausdehnung seit 1968. Insgesamt 20 Teiche verteilen sich im Gebiet, davon 8 Mulknitzer Teiche mit einer Gesamtfläche von 84 Hektar und 8 Euloer Teiche mit 54 ha Fläche. Der Rest entfällt auf die Jamnoer Teiche oder ist mittlerweile Wiesenfläche.
„Auf alten Meßtischblättern sieht man, daß es hier früher viele Feuchtwiesen gab.“, erklärt Kristian Schmidt. Die Bibersteiner als ehemalige Besitzer der Flächen begannen im Mittelalter mit der Verpachtung der Flächen, die im Laufe der Zeit zu teichwirtschaftlichen Flächen ausgebaut wurden. Nach 1945 übernahm das Teichgut Peitz (ab 1950 VEB Binnenfischerei Peitz) die Teichflächen. 1990 erfolgte der nächste Besitzwechsel an die Edelfisch GmbH Peitz, die 1992 die Teiche an Christoph Junghanns verpachtete, der sich seitdem um die Bewirtschaftung der Teiche und anliegenden Flächen kümmert.

Ralph Scheel vom First Aid for Wonderful Nature (F.A.W.N.) e.V., einem Verein, der sich um den Tierartenschutz kümmert, kennt die Gegend rings um die Teichgebiete genau. Seit 2 Jahren bietet er Naturwanderungen durch die heimischen Wälder an. „Ich habe viele Gruppen aus Westdeutschland, die staunen immer wieder darüber, welche Artenvielfalt wir hier haben!“ Diese einzigartige Kulturlandschaft ziehe auch viele Kulturfolger nach. „Eine der wichtigsten Errungenschaften der letzten 100 Jahre ist die Tatsache, daß Tierarten uns folgen und sich anpassen!“, erklärt der Tierexperte, der weltweit unterwegs ist. Bekanntestes Beispiel für einen Kulturfolger sei der Wolf. Im Gebiet um die Euloer Wälder seien ständig 2-3 Wölfe des Teichland-Rudels unterwegs, Deren Revier erstreckt sich von Groß Bademeusel bis nach Bärenbrück. Frische Spuren von Reviermarkierungen und Losungen (Exkremente) konnten auch die rund 40 Teilnehmer der Wanderung am Donnerstag in Augenschein nehmen. „Übrigens erkennt man Wolfs-Losungen am Geruch – einer Mischung aus Ammoniak und Maggi“, gibt der Wildexperte den Gästen mit auf den Weg.
Neben dem Wolf sind auch Biber und der Otter mittlerweile im Landschaftsschutzgebiet ansässig. Und noch eine Information sorgte bei den Stammtisch-Besucher für Erstaunen: „Im Frühjahr haben wir Spuren eines Luchses im Wald entdeckt!“, so Ralph Scheel, der auch für das LUPUS – Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland tätig ist. Doch der Luchs ist kein Tier, daß sich fest ansiedelt, sondern weiter zieht.

Ralph Scheel zeigt den Weg des Wolfes

Diese Artenvielfalt hat viele positive Aspekte. „Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, daß es bei uns kaum Zecken gibt?“, fragt Scheel in die Runde. Die vielen Füchse in den hiesigen Wäldern sorgen dafür. Für Zecken sind Mäuse die Hauptwirte. Diese wiederum stehen bei den Füchsen auf der Speisekarte ganz oben. „Keine Mäuse – keine Zecken“ fasst Ralf Scheel diesen Kreislauf des Lebens zusammen.

Ungläubiges Staunen bei den Naturinteressierten gab es an der „Sängerbank“. Nicht wegen der unromantischen Geschichte, wie die Bank zu ihrem Namen kam (Ende der 50er Jahre baute der Chor der Forster Tuchfabriken 5 Bänke zusammen. 4 davon wurden im Stadtpark Mitte aufgestellt, die fünfte eben an diesem Ort im Euloer Bruch.). Der Umfluter, in direkter Nachbarschaft zur „Sängerbank“ und zentraler Zulaufgraben für die Mulknitzer Teiche, ist komplett ausgetrocknet. „Seit Mitte der 60er Jahren ist mir nicht bekannt, daß der Graben mal trocken gefallen ist!“, erinnert sich Christoph Junghanns. Ursache ist das Wasserdefizit infolge der langanhaltenden Trockenheit und des niederschlagsarmen Winters.

Die Sängerbank
Der ausgetrocknete Zulauf zu den Mulknitzer Teichen

Von der Sängerbank, wo das eigentliche NSG beginnt, geht es weiter zu den Katzenbergen, die eigentlich Binnendünen sind und nach der Eiszeit vor ca. 12000 Jahren entstanden sind. Von der Dubrauer Höhe wurden im Laufe vieler Tausend Jahre Sande abgeweht, die sich hier ansammelten. Ihre Form erinnert an Katzenbuckel, daher stammt auch der Name.

Was den Artenschützer und den Forstwirt angesichts der Artenvielfalt und Kulturfolger freut, bereitet dem Teichwirt zunehmend Probleme. Bei einem kleinen Imbiß an der Fischerhütte verdeutlicht Christoph Junghanns die derzeitigen Sorgen als Pächter. Zwar ist die Karpfenteichwirtschaft Ersatzlebensraum für verschiedene Flußauenlandschaften und bietet Gänsen, Enten, Lurchen und Molchen lebens- und Nahrungsgrundlagen, doch die Verluste durch Klimawandel, Biber, Otter, Kormoran und Reiher steigen ständig. Von 235 ha Teichgebiet sind 200 ha reine Wasserfläche, davon sind noch 120 ha wasserführend. Der Rest ist ausgetrocknet. „Wir haben zur Zeit jährliche Verluste von 70-90%. Normal wären 30%!“, sagt Christoph Junghanns. Der Schaden beläuft sich auf etwa 70-80.000,- Euro, als Entschädigungsleistung gibt es maximal 10.000,- Euro. Das Wasserdefizit beträgt 300l/qm, es müsste ein dreiviertel Jahr durchregnen, damit sich der Wasserhaushalt wieder regeneriert.
Beantworten konnte der Teichwirt auch die Frage, warum denn im vergangenen Jahr die riesigen Pappeln auf dem Hauptweg gefällt wurden. „An Teiche gehören keine Bäume. Und die hier gestandenen Hybridpappeln passen überhaupt nicht in diese Landschaft, die hätten schon vor 20 Jahren gefällt werden müssen. Inzwischen sind sie zu alt und fangen an zu faulen und stellen ein Sicherheitsrisiko sowohl für die Teiche als auch für Passanten da!“., stellt der Pächter klar.

Er wünsche sich jedoch, daß möglichst viele Besucher in das Teichgebiet kommen, nicht ohne Hintergedanken: „Je öfter hier jemand vorbeikommt, umso scheuer werden die Tiere und werden hoffentlich von hier weg vertrieben.“

Auch Ruth Frank, die die ca. 5-km lange Tour bei sommerlich-heißen Temperaturen begleitete, hatte einen Appell an die anderen Teilnehmer: „Bitte sorgen Sie dafür, daß auch an die kleineren Vögel gedacht wird, gerade bei der derzeitigen Hitze! Stellen Sie eine Vogeltränke im Garten oder auf dem Balkon auf, damit die Vögel etwas trinken und ihre Flügel benetzen können“.

Besucher des Forster Geschichtsstammtisches interessieren sich eben nicht nur für Geschichte, sondern auch für das Tierwohl und die Natur.

Der Mützelteich ist auch trocken

Der nächste Geschichtsstammtisch findet am 29. August in Naundorf im Gasthof Lehmann statt. Dann gibt es einen Dia-Abend mit alten Forster Dias. Eigene Dias können gerne mitgebracht werden.

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